Apples Strategie des „Digital Hub“ – aktuelle Entwicklung

Während der zufällige Zaungast des MP3-Player-Marktes im Debut des Motorola „ROKR“ nichts weiter als den Marktstart eines normalen MP3-Handys erblickt, vermag eine tiefere Analyse durchaus auch revolutionäre Aspekte dieser Nachricht zu enthüllen: Motorolas „ROKR“ ist das erste Produkt, mit dem Apple sein eng verzahnte Geschäftsmodell „iPod – iTunes – iTunes Music Store – Fairplay“ aufbricht.

Bislang beharrte Apple darauf, alle Elemente des „Musikkonsums via iPod“ zu kontrollieren: vom Design und der komfortablen Bedienung des Players über Aussehen und Funktionalität der Musikverwaltungsoftware auf dem Computer, den Komfort von Musikkauf und -download über das Internet bis hin zum dabei verwendeten Kopierschutzsystem. Wie ein Blick auf das neue „ROKR“ zeigt, hat Apple Design und Bedienungskomfort des Mobiltelefons komplett seinem Partner Motorola überlassen. Anders als bisher gibt Apple die Kontrolle über den MP3-Player also aus der Hand.

Natürlich handelt es sich bei diesem Schritt nur um einen ersten kontrollierten Test. Ein Erfolg des „ROKR“ und der bei Motorola bereits in Planung befindlichen weiteren Modelle mit „iTunes mobile“-Software, könnte aber schon bald dazu führen, daß Apple seine Software auch anderen Handy-Herstellern zur Verfügung stellt. Vor dem Hintergrund der Marktgröße des Handy-Markts und des MP3-Player-Markts, könnte die Zahl der iTunes-bestückten Mobiltelefone recht bald die Zahl der iPods übersteigen. Die Folge für Apple: Die strategische Bedeutung von „iPod“ und „iTunes“ würde sich immer mehr von der Hardware zur Software verschieben.

Somit manifestiert sich im Marktstart des „ROKR“ eine weitere Stufe einer bislang mit großem Erfolg durchschrittenen Entwicklung in Apples Strategie. Apples Ideal eines um den mit mächtiger Software bestückten Macintosh („Digital Hub“) herum entwickelten geschlossenen Systems digitaler Geräte wandelt sich zum Ideal des offenen Systems über verschiedene Computerplattformen und Hardwaregeräte aller Art und Hersteller, in der jedoch Apples Software (insbesondere iTunes mit den darin integrierten Technologien „Quicktime„, „iSync„, „Bonjour„) die entscheidende Größe darstellt. Erst durch Apples Software wird es möglich, daß die unterschiedlichen Geräte miteinander kommunizieren. Zwar gibt es noch einen Computer als „digital hub“, der ist aber nicht mehr unbedingt ein Mac und anders als in der ursprünglichen Vision verharrt Apples Software nicht auf dem Computer, sondern dringt auch in alle anderen Geräte ein.

Entwicklung von Apples Strategie

Beispiel iPod / iTunes: Nachdem der iPod beim Marktstart im Oktober 2001 zunächst als reines „Macintosh-Accessoire“ nur Macintosh-Usern vorbehalten war und als Argument für einen Umstieg von Windows auf den Mac herhalten sollte, entschloß man sich im Juli 2002 dazu, den iPod auch Windows-kompatibel zu machen. Als Musikverwaltungssoftware diente damals auf Windows jedoch „Musicmatch“ – die Entwicklung einer Windows-Version von iTunes schien weder lohnend, noch aus strategischer Perspektive geboten (denn die „user experience“ des iPod im Verbund mit dem Mac sollte überlegen bleiben). Der unerwartete Erfolg des iPod bei Windows-Usern und der Erfolg des Music Stores auf dem Mac gaben den Ausschlag, die strategische Positionierung anzupassen. Im Oktober 2003 brachte Apple eine mit der Mac-Version identische Variante von „iTunes“ für Windows heraus und ergriff von der Windows-Plattform Besitz. Und mit dem „ROKR“ überspringt iTunes die Artengrenze vom MP3-Player bzw. vom Computer hin zu Mobilfunktelefonen.

Bedeutet dies, daß schon bald eine Lizensierung von iTunes und Fairplay an andere MP3-Hersteller ansteht? Weil Apple den MP3-Player-Markt auch ohne Lizensierung beherrscht, scheint dies unwahrscheinlich. Apples Engagement bei den Mobiltelefonen ist vor allem auch der Absicht geschuldet, in diesem wichtigen Markt iTunes als Standard zu etablieren, um so die Vormachtstellung dieses Standards im MP3-Player-Markt zu verteidigen.

Der Apple Shareholder sollte seine Aufmerksamkeit eher auf die anderen Komponenten des Digital Hub legen. Spielfilme, Fernsehen und Video-Podcasting sind die nächsten große Märkte, die erobert werden möchten. Und auch wenn zu erwarten ist, daß Apple in diesem Zusammenhang eine eigene innovative Hardware vorstellen wird, könnte eine zeitgleiche oder spätere Integration der dazugehörigen Software-Komponente in Fernseher und Festplattenrekorder von Fremdherstellern dann wieder nach dem Modell ROKR ablaufen. Im Januar 2005 verkündete Steve Jobs übrigens zusammen mit dem damaligen Chef von Sony, Kunitake Ando, beim Thema High Definition Video eng zusammenarbeiten zu wollen.

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