Apples iPod-Erfolg – ein Ende in Sicht? (Teil 2)

Apples Erfolg im Markt für MP3-Player ist außergewöhnlich. Immer wieder werden aber kritische Stimmen laut, die ein Ende der Dominanz des iPod oder zumindest eine schwindende Attraktivität des Marktes vorhersagen. Dies ist der zweite Teil einer Serie, in der diesen kritischen Argumenten mit Hilfe von Konzepten des Strategischen Managements nachgegangen werden soll, um die Argumente auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen.

Heute soll die Behauptung untersucht werden, daß der Absatz von „reinrassigen“ MP3-Playern dadurch gefährdet sei, daß zunehmend auch andere mobile Geräte – insbesondere Mobiltelefone – Musikkonsum ermöglichen.

Microsoft-Gründer Bill Gates formuliert das in einem Interview mit der FAZ so:

(…) ich denke auch nicht, daß die spezialisierten Musikspieler ganz aussterben werden. Wenn Sie mich aber fragen, welches tragbare Gerät künftig an erster Stelle zum Musikhören genutzt wird, würde ich ganz klar auf das Mobiltelefon tippen.

Das zugrunde liegende Argumentationsmuster diskutiert man im Strategischen Management als Gefährdung eines Marktes durch Substitutionsprodukte. Man meint damit den Umstand, daß der Kunde seine Bedürfnisse in einer konkreten Situation nicht unbedingt durch eine ganz bestimmte Produktgruppe befriedigen muß, sondern auch zu Produkten anderer Kategorien greifen kann.

Das Bedürfnis nach musikalischer Unterhaltung kann z.B. sowohl durch das Radio, als auch durch eine Musik-CD, durch den Musikkanal im Fernsehen, durch ein Live-Konzert oder auch durch einen Klingelton auf dem Handy gedeckt werden.

Je nach Aufenthaltsort und Situation wird mal die eine, mal die andere Form des Musikkonsums in den Augen des Konsumenten als bevorzugt angesehen. Zu den Kriterien könnten die Soundqualität, der Umfang des Musikangebots, die Mobilität der Abspieltechnik, die Verfügbarkeit u.v.m. gehören.

Um argumentieren zu können, daß Mobiltelefone ein ernstzunehmendes Substitutionsprodukt für den iPod sind, müßte man zeigen, daß das Mobiltelefon in den wichtigsten Verwendungssituationen des iPod eine gleichwertige oder zumindest akzeptable Alternative für Musikgenuß darstellt.

Eine solche Argumention erscheint plausibel. Zwar gibt es auch gute Gründe, die derzeit gegen einen umfänglichen Ersatz des iPod durch das Handy sprechen – Verzicht auf Bedienungskomfort, geringe Akkulaufzeit, geringe Speicherkapazität, Aufzehren der zum Telefonieren benötigten Energie. Es sieht aber danach aus, daß der technische Fortschritt diese Nachteile soweit lindert, daß das Handy den iPod in vielen Situationen als brauchbares Abspielgerät für Musik ersetzen – und das heißt letztlich: verdrängen – kann.

Das Argument, daß der iPod durch das Substitutionsprodukt Handy gefährdet ist, scheint demnach berechtigt. Kann daraus aber geschlossen werden, daß ein Ende des iPod Erfolgs insgesamt abzusehen ist? Nein, denn bislang ist die Analyse noch statisch und einseitig.

Erstens bleibt abzuwarten, inwieweit es Apple gelingt, den iPod so weiterzuentwickeln, daß er in den Augen des Kunden nicht substituierbar ist. Dazu gehört die Ausstattung des iPod mit Merkmalen, die ein Handy nicht bieten kann oder die den iPod zu einem unproblematischen Begleiter des Handy machen. Zusätzlich kann es gelingen, das Image des iPod so aufzuladen, daß es zwar technisch möglich sein könnte, Musik auch über das Handy zu konsumieren, daß es aber „uncool“ wäre.

Zweitens darf man nicht außer acht lassen, daß sich das Substitutionsprodukt-Argument auch spiegelbildlich anwenden läßt: Der iPod selbst kann ein Substitutionsprodukt sein und sein Erfolg ist dadurch begründet, daß er andere Gerätekategorien eindringt und Geräte überflüssig macht.

Hier zeigt sich die zweite Stoßrichtung in der Fortentwicklung des iPod-Designs: Der iPod nano kann durch seine kompakte Bauweise und seine Kopplung an iTunes in eine ganze Reihe etablierter Produktkategorien eindringen: Seine Anbindung an Podcasts macht ihn zum Ersatz von Taschenradios, seine umfangreiche Musikbibliothek zum Ersatz von CD-Playern und Autoradios, sein einfacher Anschluß an einen Musikverstärker zum Ersatz der Stereoanlage, seine Fähigkeiten bei der Termin- und Adressensynchronisation zum Ersatz eines PDA.

iPod als Substitutionsprodukt

Ein Hauptanliegen von Apple wird es also in naher Zukunft sein, den Verwendungsnutzen des iPod im Anwendungsumfeld dieser konkurrierenden Produktkategorien zu steigern, z.B. durch eine noch engere Verquickung des iPod mit Autoradio oder Stereoanlage.

Welcher der beiden Verdrängungseffekte schließlich überwiegt – die Substitution des iPod durch das Handy oder die Substitution anderer Unterhaltungselektronik durch den iPod – ist jedenfalls kein unabwendbares Naturereignis, sondern wird vor allem von der Güte der Entscheidungen des Apple-Managements abhängen.

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